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segunda-feira, 14 de abril de 2008

Hannah und Martin

Was kommt außer Voyeurismus bei diesen Fragen noch heraus? Die Affäre, die Heidegger und Arendt verband, gehört längst der Öffentlichkeit. Jeder Arendt-Kenner weiß, dass sie als Studentin in den zwanziger Jahren etwas mit Heidegger hatte und dass sie Heidegger nach dem Krieg, als sie schon in den USA lebte, immer noch manchmal traf. Warum soll es heute jemanden interessieren, weshalb eine junge jüdische Studentin mit ihrem Lehrer ins Bett ging? Hat das damit zu tun, dass er seine Beziehung zu den Nationalsozialisten nie wirklich in Frage stellte? Auch das ist nichts Schlimmes mehr: Berühmtere Leute als Heidegger kokettieren mit ihrer Nazivergangenheit. Doch in diesem Fall geht es um mehr als nur um die Körper von Arendt und Heidegger. Auf dem Spiel steht nicht nur die Liebesbeziehung einer jungen jüdischen Studentin, die zu den wichtigsten politischen Theoretikern des 20. Jahrhunderts gehörte, mit dem wichtigsten Vertreter all dessen, was faul ist am deutschen Geiste. Hier geht es anscheinend um das deutsch-jüdische Verhältnis an sich: Wenn Arendt Heidegger verzeihen kann, dann kann es doch nicht ganz so schlimm um Deutschland und die Deutschen stehen? Vielleicht kann die deutsch-jüdische Symbiose doch noch gerettet werden?

Das wären ja teilweise ganz interessante Fragen. Schade nur, dass sie in diesem Buch keinen Platz fanden. Hannah Arendts Kritiker sehen in ihrem Denken eine Projektion ihrer offenbar nicht überwundenen Liebe zu dem Nazi Heidegger: Nur so lasse sich erklären, warum sie gegenüber den jüdischen Opfern in ihrem berühmtesten Buch "Eichmann in Jerusalem" so unsensibel war.

Wir leben in psychologischen Zeiten. Gefühle sind alles: Es gibt kein privates Selbst mehr. Alles wird öffentlich, und die Schranken zwischen dem Politischen und Privaten werden abgeschafft. Just dagegen dachte Hannah Arendt an. Sie war eine in der Antike verankerten Denkerin - die Privatsphäre galt für sie nicht nur als abgeschiedener Bereich, sondern mehr noch: als minderwertig. Sie verstand das Politische auch als Kunst, sich vor dem Privaten zu schützen. Liebe, Mitgefühl und andere Emotionen sollten doch besser aus dem öffentlich-politischen Diskurs herausgehalten werden. Jene Form der Neugier, die sie durch ihre Liebe zu Heidegger verstehen will, wäre ihr tief zuwider. Sie würde sie als therapeutischen Versuch verstehen, sich selbst in Szene zu setzen, Misstrauen zu säen, Biografie als Schicksal zu verstehen. Ein voyeuristisches Buch über ihre Liebe würde sie zutiefst verabscheuen.

Hannah Arendt wehrte sich auch gegen den Versuch, die Verbrechen zu normalisieren, die die Deutschen an den Juden begingen. Dieser Normalisierungsversuch war auch mitunter das Verdienst von Heidegger. Leider wird in Antonia Grunenbergs Buch nur gezeigt, warum wir Arendts Liebe zu Heidegger verstehen sollen. Dass es um viel mehr geht, wird ausgeklammert - dabei ist Nachdenken über Heideggers Schweigen zum Nationalsozialismus selbst schon eine kleine akademische Industrie geworden. Eigentlich war seine Stimme aber deutlich zu hören: Was die Deutschen den Juden antaten, sei auch nicht schlimmer als das, was die Russen mit den Deutschen getan hätten - hieß es in einem Brief an seinen ehemaligen Schüler Herbert Marcuse von 1948.

Nun will sich Grunenberg gar nicht auf die Frage einlassen, ob Heidegger ein authentischer Nazi oder nur für kurze Zeit vom Nazismus verblendet war (es scheint, Hannah Arendts Liebe zu ihm besäße mehr Legitimation, wenn er nur verblendet gewesen wäre). All das wird leidenschaftslos nacherzählt, ohne Heideggers Einfluss auf die Vergangenheitspolitik Deutschlands zu beleuchten.

Gleich nach dem Krieg schrieb Heidegger seinen "Brief über den Humanismus", eine Schrift, die bis heute großen Einfluss auf das kritische Denken hat. Man könne im Namen des Humanismus den Antihumanismus nicht verurteilen, so Heidegger, denn es sei der Humanismus in Gestalt der Technologie selbst, der zur Gewalt verführe. Nur die sogenannte Wahrheit des Seins sei Antipode der Gewalt. Gemäß dieser Metaphysik kann der Völkermord an den Juden mit den Atombomben, den Vertreibungen Deutscher, der Bombardierung von Städten in Zusammenhang gebracht werden. Es ist gut, dass Antonia Grunenberg auch Karl Jaspers erwähnt, den Dritten im Arendt-Heidegger-Bunde - denn es war Jaspers der unterscheiden wollte: zwischen kriminellen Staaten und Staaten, die kriminelle Handlungen begehen.

Hannah Arendt mag sich von Überlegungen wie jenen Heideggers hingezogen gefühlt haben, aber sie dachte zu politisch, um sich davon verführen zu lassen. Am Ende bezog sie Stellung - und zwar für ihre jüdische Verantwortung. Grunenberg zitiert beinahe triumphierend Hannah Arendts Kritik am Zionismus; die Jüdin Arendt versteht sie dabei nicht. Ihr Denken war der jüdischen Verantwortung und den Konsequenzen des antijüdischen Genozids gewidmet. Alles andere geht uns eigentlich nichts an. Grunenberg will zwar die Geschichte einer Liebe erzählen, aber wie Hannah Arendt selbst oft sagte: Eine Geschichte kann nur erzählt werden, wenn sie zu Ende ist. Doch die Geschichte dieser Liebe ist noch lange nicht zu Ende - und darum ist es gut, dass wir nichts von ihr erfahren.

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